KÄPT’N MEIN KÄPT’N. FOLGE 1

27.Jul 2024

In gewisser Weise sitzen wir alle im gleichen Boot, wenn es um Liebe und Partnerschaft geht. Wir lassen uns hin-und-herschaukeln, hissen die Segel zu neuen Abenteuern oder ziehen sie ein, wenn es ungemütlich wird und gar Sturm naht. Manchmal dümpeln wir allein über die Meere, weil uns der Bootsmann oder Steuermann abhandengekommen ist. Ich kenne das Gefühl sehr gut, habe ich doch vor einigen Jahren meinen geliebten Mann verloren und bin damit genauso auf der Suche nach Zweisamkeit wie meine Kandidatinnen und Kandidaten.

Neugierig hörte ich von dem Kapitän, der allein in einem großen Haus auf der Insel lebt. „Kann man den Herrn einmal kennenlernen?“, fragte ich in die Runde. Es dauerte, was meine Neugierde noch steigerte. Dann kam er nach mehrfachen Einladungen zu einem meiner Events, mitgebracht von einer Freundin. Groß und kräftig von Statur, weltgewandt und souverän bewegte er sich zwischen den Gästen. Wie ein aufgeregter Teenager tat ich so, als würde ich ihn nicht zur Kenntnis nehmen, wäre im Gespräch vertieft, müsste noch dringend ein Telefonat annehmen. Man stellte uns vor, ich tat freundlich überrascht: „Ah, der Kapitän. Wie schön, Sie endlich kennenzulernen.“ Dann hatte ich scheinbar wieder Wichtigeres zu tun. Meinen Kandidatinnen hätte ich jetzt die Ohren langgezogen und streng gemahnt, dass man mutig und kokett auftreten soll.

Am Ende des Abends ging eine Gruppe von letzten Gästen noch in die Bar. Ich schloss mich ihnen an und mit mir der Kapitän. Endlich kamen wir miteinander ins Gespräch. Er war es dann auch, der mich zum Auto brachte, mich herzlich in den Arm nahm. „Wir sehen uns wieder, schlaf gut“. Wie mir das Herz raste und pochte, Schmetterlinge tobten im Bauch. So ein Gefühl hatte es schon lange nicht mehr in meinem Leben gegeben. Der Kapitän gehört nicht in meine Kartei, er soll bei mir landen, versicherte ich mir grinsend, als ich unter die Bettdecke kroch.

Aber wie geht es weiter? In meiner WhatsApp keine Nachricht, dann endlich ein Zeichen: „Ich hoffe sehr, uns in Bälde wieder zu sehen, my dear! Liebe Grüße S.“ – Das klang nach Überschwang für einen in die Jahre gekommenen Seemann, der sonst wortkarg auf der Kommandobrücke stand. Am liebsten würde ich ihm entgegeneilen, nicht von der Insel abreisen, seine Adresse recherchieren, vor seiner Haustür rumlungern. Was tun? Ich bin Anfang sechzig und habe das Gefühl, als hätte ich nicht in meinem Leben viele Liebhaber gehabt, wüsste nicht, wie man einen Mann erobert. Stattdessen klebe ich an meinem Handy, fühle mich wie eine blutige Anfängerin und muss mir die richtigen Sätze von der Freundin vorformulieren lassen: „Meine Liebe, brauche Deinen nächsten Liebesrat …“ – Dabei bin ich es, die für so etwas normalerweise als Besitzerin einer analogen Partnervermittlung zur Verfügung steht.

Er und ich verabreden uns, ein Dinner, ein Konzert, ein Vortragsabend. Du zu mir? Oder doch lieber jeder für sich nach Hause? Er fährt allein zurück. Heimlich beobachte ich ihn. Ich glaube, wir könnten ein gutes Paar sein. Ich liebe das Meer und die Segelei. Erinnerung an die Zeit mit meinem Mann werden wach. Dabei fühlt es sich nicht nach Verrat an, ich glaube, er wäre glücklich, mich jetzt so zu sehen. Fast kann ich sein wohlwollendes Lächeln spüren. In einer Boutique in Berlin räume ich das komplette Regal mit exklusiven Dessous leer. Wie wird es sein, das erste Mal? Ich male es mir aus in allen Facetten. Wie sehr habe ich es vermisst, in den Armen eines Mannes zu liegen.

Ein Termin beim Friseur, Pediküre, Maniküre, das Vollprogramm. Kritisch betrachte ich meinen Körper nackt vor dem Spiegel. Schon viel Frau! Ich mag das, ich mag mich, auch wenn mein Spiegelbild nicht mehr die knackige Perfektion von früher besitzt. Ich bin ich, mit großem Busen, fülligen Hüften, kräftigen Beinen. Ich stelle mir vor, wie er nackt vor mir steht und mich nimmt, und wir uns endlos lieben, immer und immer wieder. Ob so etwas noch geht im Alter? Er ist gute zehn Jahre älter als ich. Aber er ist doch der Kapitän. Gewiss. Und ich? Als nächstes ein Termin bei der Frauenärztin, die gleichzeitig Freundin ist. Sollte ich eine Hormontherapie starten bzw. die Dosis der bisherigen Präparate erhöhen? Nun bräuchte ich eine Partner-Agentur, die den gleichen Job macht, den sonst ich übernehme. Ich höre mich vor den anderen sagen: „Geben Sie sich einen Ruck, lassen Sie es einfach laufen zu lassen, nicht verkrampfen, den Moment nehmen wie er kommt, genießen Sie es einfach.”

Stattdessen gibt es Absagen, Enttäuschungen und Verzögerungen. Er hätte Besuch, könne nicht kommen. Was für einen Besuch? Etwa eine andere? Dann schreibt er mir, dass er Gin Tonic mit Oliven mag. Das ist schon alles. Etwas später: „Das nächste Mal Sundowner mit Dir!“ Immerhin. Was soll ich antworten? Wieder brauche ich Flirt-Schreib-Rat. Die Tage schleichen sich dahin, sind vollgepackt mit Dingen, die zu erledigen sind, und leergefegt mit Träumen, die sich nicht realisieren. Die andere Seite schweigt. Ist es denn so schwer, einfach mal zu sagen, was man fühlt? Ist es!

Die Freundin meint, ich solle einen Brief schreiben, einen Liebesbrief. Wie lange ist das her, dass ich so etwas gemacht habe, richtig auf Papier mit Füller, eingesteckt in einen Briefkasten. Ich weiß nicht mal, wo der nächste Briefkasten steht, geschweige denn, wo sich eine Postannahmestelle befindet. Gut, ein Brief also, aber dann muss endlich mehr von seiner Seite passieren. Er ist verreist. Er kommt zurück. Überglücklich, eine Nachricht. Er liebt mich, er liebt mich nicht.

Fortsetzung folgt!!

 

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